von Gado » 13 Jan 2013, 11:03
Vielen Dank an alle, die auf meine Frage nach der rechtzeitigen Versorgung von Unfallopfern in Kolumbien geantwortet haben. Jetzt sehe ich vieles klarer. Refajo macht in seinem 1. Beitrag zwei Bemerkungen, zu denen ich Stellung nehmen möchte:
Refajo hat Recht, wenn er schreibt, dass man noch mehr von den Hintergründen kennen müsste, um den „Mauerfall“ von Cartagena richtig beurteilen zu können. Wie schwer die Verletzungen des Touristen waren, kann letztlich nur ein Arzt beurteilen, dem die Diagnosen (4 Rippenbrüche und die Perforation eines Lungenflügels) im Einzelnen bekannt sind. Dabei könnte es darauf ankommen, welche Rippen wo gebrochen waren und an welcher Stelle eine wie starke Perforation vorlag. Die Nachrichten bezeichneten den Gesundheitszustand als „grave“, also ernst. Von Lebensgefahr (peligro de muerte) war nicht die Rede. Natürlich ist es nicht akzeptabel, wenn eine Krankenkasse eine notwendige Behandlung verschleppt, um Kosten zu sparen. Andererseits ist der Wunsch, für nicht notwendige Behandlungen Kosten zu sparen - was zunächst geprüft werden muss - berechtigt. Davon profitieren die anderen Versicherten, weil sie über ihre Beiträge bzw. Prämien nicht unnötige Aufwendungen zu finanzieren brauchen.
Refajo schreibt weiter, dass Deutschland, wenn die FDP allein regieren würde, folgendes System hätte:„Bei Lebensgefahr helfen, alles andere kostet extra.“
Diese Aussage hat Refajo sicher bewusst überspitzt formuliert, weil schon allein die Vorstellung, die FDP würde allein regieren, utopisch ist. Im Grundsatzprogramm, das die FDP im April 2012 als „Karlsruher Freiheitsthesen“ verabschiedet hat, heißt es auf Seiten 58 und 59 unter anderem:
„Die Versichertengemeinschaft übt Solidarität für die großen Gesundheitsrisiken, die der Einzelne nicht tragen kann.“
„Es muss gesellschaftlich entschieden werden, welche Leistungen eine solidarische Krankenversicherung finanziert und für welche Leistungen jeder Bürger selbst verantwortlich ist.“
Die FDP will also die „großen“ Gesundheitsrisiken der Sozialversicherung zuordnen, nicht nur „bei Lebensgefahr“. Ich halte es für richtig, dass gesellschaftlich entschieden wird, welche Leistungen die Krankenkasse als notwendig übernimmt. Dies schafft Transparenz und verhindert, dass Sachbearbeiter oder deren Vorgesetzte bei der Krankenkasse darüber entscheiden, ob die Kasse in bestimmten Fällen eintrittspflichtig ist. In Deutschland wird davon gesprochen, dass schon in bestimmten Fällen versteckt eine Rationierung der Kassenleistungen stattfinde. Hier tut Transparenz not.
Sollte der Leistungskatalog der Krankenkassen gegenüber dem bisherigen Umfang eingeschränkt werden, so würde sich dies mindernd auf die Ausgaben der Kassen auswirken und käme über Beitragssenkungen den Versicherten zugute. Diese könnten sich überlegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie von den gesparten Beiträgen eine Zusatzversicherung abschließen. Sozialhilfeempfänger müssten ohnehin alle notwendigen Leistungen erhalten, weil sie weder auf eigene Mittel noch auf eine Zusatzversicherung zurückgreifen können.
Selbst wenn die FDP bei einer illusorischen Alleinregierung die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen drastisch einschränken wollte, müsste sie die im Grundgesetz vorgegebenen Schranken einhalten: Nach Art. 1 Abs. 1 muss der Staat die Würde des Menschen schützen. Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Art. 20 Abs.1 enthält das Sozialstaatsprinzip. So war es klar, dass die ärmeren Versicherten von der sog. Praxisgebühr in Höhe von 10 Euro pro Quartal befreit waren. Im übrigen hat die FDP den Anstoß dafür gegeben, dass die Praxisgebühr seit Anfang des Jahres ganz abgeschafft wurde, was die Versicherten entlastet.