"Volkssport" Busfahren in Bogotá ohne zu zahlen

[Refajo]

Mittlerweile nimmt es drastische Ausmaße an: Wie dieser Artikel auf Spanisch (http://www.eltiempo.com/blogs/frase_de_ ... -en-tr.php) richtig beschreibt, sind es nun nicht mehr wie früher zwei oder drei Personen pro Bus, die die Absperrungen überwinden und ohne zu zahlen in das Bussystem eindringen – sondern auch mal zwanzig oder dreißig Personen.

Dass das öffentliche Bussystem heruntergewirtschaftet, zu teuer und zu ineffizient ist, soll den Betrügern nicht als Entschuldigung abgenommen werden. Schwarzfahrer gibt es überall, auch in Deutschland. Aber bemerkenswert finde ich doch das totale Desinteresse und die Untätigkeit (oder Unfähigkeit?) der Polizei. Meine Frau und andere Passagiere haben schon öfter auf Schwarzfahrer hingewiesen, aber es passiert nichts.

Vor kurzem stieg ich mit meiner Frau in eine TransMi-Station ein. Dabei sahen wir, wie mehrere Jugendliche ohne zu zahlen durch die Türen drängten. Wir machten die TransMi-Angestellten darauf aufmerksam, die es dadurch in Echtzeit mitansahen und gleich zwei Polizisten herbeiriefen. (Das ist der leichteste Teil der Aufgabe – stehen ja an jeder Ecke in Bogotá zwei Polizisten gelangweilt herum.) Die Polizisten wollten aber nicht eingreifen und ersannen jede noch so bescheuerte Ausrede, um sich ja nicht anstrengen zu müssen. Darunter eine Ausrede, die ich nun schon öfter von Polizisten gehört habe: Man könne nichts tun, denn unter den Betrügern seien auch Frauen, und die könne man nicht aufhalten, da jeder Körperkontakt zu einer Anzeige wegen sexueller Belästigung führe.

Tja, wenn das so ist, können wir auf eine Polizei auch verzichten und eine Menge Staatsausgaben sparen. Meine Frau hat daraufhin laut verkündet (wir hatten schon bezahlt) dass sie in Zukunft auch keine Fahrkarte mehr kauft, wenn sie als Frau keine Konsequenzen für diesen Betrug zu fürchten hat. Daraufhin haben die zwei TransMi-Angestellten zu den Polizisten gesagt: "Seht ihr, das kommt davon, dass ihr nicht für Ordnung sorgen wollt. Bald zahlt hier keiner mehr." Das hat die Polizisten aber nicht interessiert...

[Bono]

[Refajo]

Viele sind "Wehrpflichtige mit Gummiknüppel", sogenannte Auxiliares, Hilfskräfte. Aber wenn ich Polizisten schreibe, meine ich "echte" Policías mit allem drum und dran. Und wenn zwei Männer mit zwei Frauen gewaltsam ins Bussystem eindringen, könnte die Polizei problemlos die zwei Männer festnehmen. Ich glaube nicht, dass man bei Straftaten nicht auch die Frauen festnehmen könnte. Es gibt ja Überwachungskameras, auf denen man nachvollziehen könnte, dass die Frauen erstens etwas Illegales taten, und die Polizisten zweitens keine Vergewaltigung der Frauen versuchten.

Ich habe in den letzten Monaten viel mit der Polizei zu tun gehabt, alleine in unserem Conjunto haben wir sie mehrmals gerufen. Aber es hat sich nur bestätigt, was mir die Kolumbianer sagen: Solange es keinen Toten oder zumindest Verletzten gibt, macht die Polizei überhaupt nichts. Am Donnerstag wollte einer sogar ganz direkt Bestechungsgeld habe. Da hat eine unserer Nachbarinnen den Sargento angerufen, dessen Nummer sie im Handy gespeichert hat, und der Polizist wurde ganz bleich im Gesicht und auf einmal friedlich. (Obwohl die Sache den Sargento nicht interessiert hat.)

Ich habe mich anfangs in Kolumbien blenden lassen, weil viele Polizisten schön reden können. Aber mittlerweile habe ich verstanden, wie korrupt die meisten sind und dass viele einfach schlechte Menschen sind, die ihre Machtposition gnadenlos ausnutzen zum Nachteil der Gesellschaft, die sie eigentlich beschützen sollten.

Es gibt viele Politiker und Parteien, die Arbeitsplätze schaffen und die Infrastruktur und Bildung verbessern wollen. Aber das Problem der korrupten Polizei will keiner auf die Agenda setzen. Mal sehen, was bei der angeblichen Selbstverbesserung der Polizei herauskommt. (viewtopic.php?f=5&t=402)

[Gado]

[Refajo]

Ich habe jetzt nicht die Paragraphen zur Hand, aber die kolumbianischen Gesetze sind im Prinzip gleich mit der von Gado zitierten Vorschrift aus Baden-Württemberg. So bleibt der Verdacht: Die Polizei sucht nach Ausreden, um nicht arbeiten zu müssen.