von Refajo » 14 Apr 2012, 21:54
In Bogotá mit Hilfe von Taxifahrern einen Fahrraddieb gestellt, den die Polizei aber umgehend laufen ließ
Ich kehre zu meinem angeschlossenen Fahrrad auf der Calle 85 zurück, also in einem relativ noblen Viertel im Norden Bogotás. Da sehe ich wie ein Mann versucht, die dicke Sicherheitskette meines Rades durchzuschneiden. Da ich in diesem Moment nicht wusste, ob der Dieb bewaffnet war oder Komplizen hatte, lief ich schreiend auf ihn zu. Er ergriff die Flucht und sprang auf seinen nahe stehenden Pferdewagen (im Volksmund "Zorra"). Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Ecuador sind die Kolumbianer weniger feige; ich habe in Bogotá schon öfter erlebt, wie Passanten Diebe gestellt und der Polizei übergeben haben. Auch in diesem Fall riefen mir Zeugen zu: "Auf geht's, den kriegst du noch!" Also bin ich losgerannt und habe laut nach der Polizei geschrien. Ein Taxi hielt neben mir, der Fahrer rief mir zu "Spring rein, den kriegen wir!" Vier Häuserblöcke weiter hatten wir den Pferdewagen zusammen mit anderen Taxis und Privat-PKW eingezingelt und zum Stehen gebracht, der Dieb ergab sich. Innerhalb einer Minute waren drei Polizisten da, die das Tatwerkzeug (eine ca. 100 cm lange Zange) sicherstellten und den Dieb und mich zum Tathergang befragten, unter den Augen von zahlreichen Schaulustigen. Zwei Frauen waren Zeuginnen und hatten alles von Anfang an verfolgt.
Der Dieb war vom Aussehen her mindestens 30 Jahre alt, gab aber an minderjährig zu sein und deshalb keinen Ausweis zu besitzen. Die Polizisten sagten mir, dass es ohne einen Ausweis nicht möglich sei, den Dieb anzuzeigen. Ich bestand aber darauf, dass die Polizei seine Identität irgendwie feststellen müsse. Darin wurde ich bestärkt sowohl von meiner kolumbianischen Frau, die ich über das Handy anrief, als auch von den Schaulustigen und Taxifahrern. Ein Passant riet mir, die Dienstnummern der Polizisten aufzuschreiben, um den Fall nachverfolgen zu können.
Nach über einer halben Stunde Verhandeln mit den Polizisten, boten sie mir folgendes an: Der Dieb sollte für einige Tage in ein Kurzzeitgefängnis kommen, währenddessen die Polizei sein Pferd versorgen würde. Man würde mich in ein bis zwei Stunden anrufen und mir die Daten mitteilen, welche ich für eine Anzeige benötigte. Der Anruf kam nicht, so dass ich am nächsten Tag den Polizisten auf seinem Diensthandy anrief. Er behauptete, sich an nichts erinnern zu können, an keinen Deutschen, kein Fahrrad, und dass er am Vortag gar nicht gearbeitet hätte und die Calle 85 außerhalb seiner Reviers liege. Daraufhin fragte ich ihn mit Ironie: "Sie heißen doch César González, könnte es in ihrem CAI vielleicht noch einen weiteren Polizisten geben, der genauso heißt?" worauf er mir völlig ernsthaft antwortete "Es posible!"
Damit war der Fall für mich abgehakt. Ich bekam sogar den Tipp von den Polizisten, dass ich beim Ertappen auf frischer Tat den Täter höchstpersönlich krankenhausreif prügeln könnte; die Polizei würde das auf jeden Fall zu meinen Gunsten als Notwehr auslegen. Kann gut sein, dass die Polizisten den Dieb auf ihrer Station noch ordentlich vermöbelt haben, das ist leider gängige Praxis. Aber an Selbstjustiz habe ich kein Interesse, das können sie sich sparen. Mir wäre es lieber gewesen, die Polizisten hätten mir gleich gesagt, dass sie dringendere Probleme haben als mein Fahrrad, anstatt die ganze Show abzuziehen – von wegen wie sie mir großartig helfen würden, nur um sich am folgenden Tag an nichts mehr erinnern zu können.