von Refajo » 06 Dez 2012, 00:10
Stromausfälle habe ich sehr selten, vielleicht zweimal im Jahr für zwei Stunden. Die letzten Male wurden sogar angekündigt wegen Bauarbeiten.
Kriminalität ist definitiv ein großes Problem. Nicht so groß, dass ich jetzt alles verkaufen und wegziehen würde. Aber obwohl mir persönlich bisher nur Taschendiebstähle passiert sind, muss ich ständig auf der Hut sein vor Überfällen oder Wohnungseinbruch. Ich versuche immer, an roten Ampeln nicht lange zu halten wegen diesen Gefahren. Das nächste ist, dass die Polizei zwar immer freundlich ist, aber nie etwas unternimmt, wenn man sie braucht. Tausende Polizisten sind über die ganze Stadt verteilt, aber die machen nichts außer SMS schreiben. Auf den CAIs sehe ich sie immer nur mit Facebook beschäftigt. Die Ineffizienz der Polizei ist eines der größten Probleme Kolumbiens. Mich wundert dass das noch kein Politiker auf die Agenda gesetzt hat, zumal ich da große Zustimmung in der kolumbianischen Bevölkerung sehe.
Ich würde nicht sagen, dass in Venezuela alles schlecht ist, aber die Entwicklung unter Chavez hat schon sehr bedenkliche Formen angenommen. Für einen sehr gut bezahlten Job würde ich aber trotzdem dorthin gehen. Nur, diesen Job gibt es dort für mich nicht.
Ich merke viele Verbesserungen nicht im Alltag, das muss man über Jahre hinweg sehen. Ich habe mal durchgerechnet, wie viel ich in den letzten Jahren an Gehalt dazubekommen habe, und da komme ich auf einen Zuwachs, der deutlich über der Inflation liegt und von dem durchschnittliche Arbeitnehmer in Deutschland nur träumen können. (Dafür hat das Leben und das Arbeiten in Kolumbien andere Nachteile, schon klar.)
Der Zuwachs an Autos ist für mich kein Indiz für Wohlstand, zumal das meiste auf Pump gekauft wird. Viele Kolumbianer zahlen jeden Monat brav die Rate für's Auto, aber sind dann zu geizig, in die Krankenkasse und Rente einzuzahlen. Das ist die typische Mentalität eines Entwicklungslandes. War es Mockus oder ein anderer kolumbianischer Politiker, der gesagt hat: "Die Entwicklung eines Landes kann man nicht daran sehen, dass die Armen Autos kaufen, sondern dass die Reichen den ÖPNV benutzen."
Wenn ich wüsste, dass jemand für 100 Euro Monatslohn ausgebeutet wird, würde ich den Arbeitgeber anzeigen. In unserem Conjunto gibt es auch Nachbarn, die einen Pförtner für 500.000 Pesos bar ohne Sozialleistungen wollten, aber das konnten meine Frau und ich zum Glück verhindern.
Noch etwas zum Gejammer der Kolumbianer, dass das Geld fehlt. In meinem Bekanntenkreis gibt es nur eine Person, die wirklich kein Geld hat, wo das Geld für den Bus fehlt, wo jede 100-Peso-Münze zweimal umgedreht wird. Allerdings, diese Person jammert nicht, sondern studiert und will etwas erreichen. Aber unter meinen Bekannten, die jammern, sind genau diejenigen, die zwei Autos haben, ihren Urlaub mit Kreditkarte bezahlen und selbst Lebensmittel wie Milch im Supermarkt auf zwölf Monatsraten verteilen. Mag sein dass alle diese Leute unterbezahlt sind, aber abgesehen davon können sie überhaupt nicht mit Geld umgehen. Ich kenne auch welche, die haben sich so übernommen, dass ihnen die noch nicht abbezahlte Wohnung enteignet und zwangsversteigert wurde. Wer es soweit kommen lässt, trägt eine Mitschuld.
Wir sparen viel Geld, weil wir keine Autos unterhalten. Wer in Bogotá lebt und keine schweren Sachen transportieren muss, braucht auch keins. Kolleginnen meiner Frau verdienen etwas mehr als eine Million und zahlen davon Monatsraten für Auto und Wohnung, haben immer das neueste iPhone und mehrere Kreditkarten dick im Minus. Am Monatsende haben sie kein Geld für Essen. Für mich sind das psychische und keine echten finanziellen Probleme.