von Refajo » 31 Mai 2014, 08:34
@makopp, deine Frage ist vollkommen berechtigt. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wer genau in Kuba verhandelt. Ich weiß nicht, ob sich in der FARC alle einig sind ob der Friedensverhandlungen, denn von bestimmten Führungsleuten der FARC kommen auch ständig Kommentare wie "Wir werden vom Heer beschossen und verlieren Leute, wie sollen wir da über Frieden verhandeln". Wer verhandelt überhaupt in Kuba, wenn selbst Teile der Farc dagegen sind?
Ich bin nicht scharf auf Friedensverhandlungen, von mir aus können die Verhandlungen von Santos abgebrochen werden. Für mich persönlich wird sich weder unter Santos noch unter Zuluaga etwas ändern. In den letzten sieben Jahren hat sich mein Stundenlohn fast verdoppelt. Dort wo ich in Kolumbien hinfahre, gibt es seit Uribe keine Farc mehr und auch keine Probleme mit Paramilitär. Über meine Lage beschwere ich mich nicht.
Es gibt aber andere Punkte, an denen sich Santos und Zuluaga unterscheiden: Zuluaga ist gegen Homosexuelle, Santos für Gleichberechtigung bis zur Homoehe.
Bei einem der wichtigsten Themen sehe ich keine Chance, weder unter Santos noch Zuluaga: Der Bildung. Mehr Geld ins System, höhere Löhne, noch mehr Fortbildung, mehr Wochenstunden für Schüler... Das bringt alles nichts. (Ich habe alle deine Links zu den Programmen gelesen bzw. Zuluagas Videos gesehen.) Ich will zwei Beispiele nennen:
Mein Schwiegervater ist das, was man in Deutschland als Gymnasiallehrer bezeichnen würde, für Mathe und Technisches Zeichnen. Er hat im Jahr drei Wochen Ferien, in allen weiteren Schülerferien muss er zur Fortbildung. Dort wird dann ein Video angeschaut, und weil bestimmte Erfolgsquoten eingehalten werden müssen (das war schon unter Uribe so), bekommen alle den entsprechenden Schein. So ist mein Schwiegervater jetzt auf dem Papier fortgebildeter Informatik-Spezialist, aber in Wirklichkeit ist er froh, wenn er den Einschaltknopf an einem Computer findet und eine E-Mail schreiben kann. "Mehr Fortbildung" zu fordern halte ich für einen Witz angesichts dieser Zustände.
Beispiel 2: Ebenfalls mein Schwiegervater. Seit Jahrzehnten beliebter Mathelehrer, wurde jetzt in eine andere Schule versetzt und muss dort jetzt Englisch unterrichten, kann aber kein Wort Englisch! Aller Protest half nichts, der Chef sagte: "Du unterrichtest jetzt Englisch, lass dir was einfallen, sind doch nur Kinder." So läuft das Englisch-Programm unter Santos, und ich habe keine Zweifel, dass es unter Zuluaga genauso laufen wird.
Ein für mich glaubhafter Politiker müsste solche und andere strukturelle Probleme beim Namen nennen. Die alten Formeln "mehr Geld uns Bildungssystem, mehr Fortbildung für Lehrer" bringen weder in Deutschland noch in Kolumbien was. Und deswegen sind die Programme von Zuluaga nur eine Aneinanderreihung von Schlagworten und abgedroschener Phrasen. Von Santos erwarte ich da auch nichts.
Ich bin hier nicht der große Verfechter von Santos. Angesichts seiner Versuche, das Gesundheitssystem, Steuersystem und die Justiz zu reformieren, halte ich ihm wenigstens zugute, dass er nicht ganz so untätig und schlecht war, wie ich es vor vier Jahren erwartet hatte. Bei einigen Punkten wie Gleichberechtigung Homosexueller bin ich ganz klar auf seiner Seite.
Ich halte absolut nichts von der Verklärung, dass Uribe der Heilsbringer gewesen und Zuluaga jetzt sein heiliger Sohn sei. Steuererleichterungen und Steuerbefreiung für ausländische Investoren unter Uribe, ja das hat Investitionen und Arbeitsplätze gebracht, aber Wirtschaftswachstum ist kein Allheilmittel, zumal bei den Ärmsten davon zu wenig ankommt. Das ist nicht nur in Kolumbien ein Problem, aber Uribe hat darauf auch keine Antwort. Und wie er sich zu Themen wie Justiz und Menschenrechten äußert, stößt mich ab. Wir werden sehen, was in einigen Jahrzehnten die Geschichtsbücher über ihn schreiben, aber es werden nicht nur Lobpreisungen enthalten sein.