Über die vielen Antworten auf meinen Eröffnungsbeitrag freue ich mich. Ursprünglich war ich im Zweifel, ob ich den Beitrag - nicht zuletzt wegen seiner Länge - ins Forum stellen sollte.
Zur Klarstellung möchte ich bemerken, dass es dem kolumbianischen Gesetzgeber selbstverständlich freisteht, den Día de la Raza abzuschaffen, ihn umzubenennen oder bei Bedarf neue Feiertage einzuführen. Meine Ausführungen gelten der Frage, ob das Gesetz von 1939, mit dem der Feiertag unter dem Namen Día de la Raza y la Hispanidad eingeführt wurde, von Verfassungs wegen aufgehoben oder geändert werden muss. Das habe ich verneint und verneine es weiterhin.
Refajo hat ausgeführt, dass das Konzept der Rasse als abgrenzbare Gruppe von Menschen aufgrund neuer naturwissenschaftlich-biologischer Erkenntnisse nicht mehr haltbar ist. Gleichwohl plädiert er dafür, an dem Feiertag mit seiner Bezeichnung festzuhalten. Diesen Überlegungen stimme ich zu.
Der deutsche Gesetzgeber hat im Jahr 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verabschiedet. § 1 lautet:
„Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“
https://www.gesetze-im-internet.de/agg/__1.html
Der deutsche Gesetzgeber spricht also im Jahr 2006 von „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse“. Warum dies geschehen ist, ergibt sich aus der amtlichen Begründung zu § 1 des Gesetzes. Dort wird unter anderem ausgeführt:
Das AGG setzt die europarechtlich vorgegebene Antirassismus-Richtlinie um, die ihrerseits den Terminus „Rasse“ verwendet, wie er auch in Artikel 13 des EG-Vertrages vorkommt. Allerdings werden Theorien, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen, zurückgewiesen. Deswegen wurde die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ und nicht „wegen seiner Rasse“ gewählt. Damit soll deutlich gemacht werden, dass das Gesetz nicht das Vorhandensein verschiedener menschlicher Rassen voraussetzt, sondern dass derjenige sich rassistisch verhält, der eben dies annimmt.
https://plone.rewi.hu-berlin.de/de/lf/l ... _17_80.pdf , Seite 30/31
Daraus folgt, dass der Begriff „Rasse“ zwar noch verwendet, aber nicht mehr als naturwissenschaftlich-biologisches Abgrenzungsmerkmal verstanden werden darf. Der Begriff ist heute soziologisch zu definieren. Er bezeichnet eine Gruppe von Menschen, die etwa durch gleiche Sprache und Lebensgewohnheiten, eine gemeinsame Geschichte und Kultur, insbesondere aber durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl verbunden sind.
In genau diesem Sinne formuliert die kolumbianische Verfassung, dass discriminación por razones de la raza etc.- also aus Gründen der Rasse - verboten ist. Die discriminación ist nicht„wegen der Rasse“ verboten. Somit stimmen die Beweggründe dafür, den Begriff „Rasse“ zu verwenden, in der kolumbianischen Verfassung und im deutschen AGG überein und beziehen sich auf eine soziologische Unterscheidung.
Marco erkennt in seinem Beitrag vom 30.01.2017 in dem Feiertag Día de la Raza y la Hispanidad eine große Diskriminierung der Indianer und Schwarzen. Diese Einschätzung teile ich nicht. Denn unter der Geltung der kolumbianischen Verfassung werden diese Teile der Bevölkerung nicht nach biologischen Merkmalen ausgegrenzt, sondern als soziologisch andersartig angesehen, was sie auch sind. Der Feiertag am 12. Oktober erinnert an die Entdeckung Amerikas durch Kolumbus und die sich daran schließende Kolonisierung durch die Spanier. Dies ist trotz aller damit verbundenen Gräueltaten ein kulturhistorisches Ereignis, das sich gegen keine ethnische Gruppe richtet.
Somit komme ich zu dem Ergebnis, dass eine verfassungskonforme Auslegung und Handhabung des Feiertagsgesetzes von 1939 in multikultureller Art und Weise keine verbotene discriminación por razones de la raza etc. darstellt und das Gesetz nicht geändert zu werden braucht, eben weil es verfassungskonform ist. Es könnte seitens des Gesetzgebers zwar geändert werden. Das hätte aber voraussichtlich den Protest anderer Bevölkerungsteile zur Folge.