Kurt Beck - ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und von 2006 bis 2008 Vorsitzender der SPD - hat Kolumbien in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen bereist und seine Eindrücke in einem Interview geschildert. Folgende Aussagen Becks halte ich für erwähnenswert:
Beck möchte, dass der Friedensprozess erfolgreich zu Ende geführt wird. Er meint, dass die Zeit des Bürgerkriegs für die Bewohner in den Städten, beispielsweise in Bogotá, weit weg sei und für sie weniger eine Rolle spiele als für die Menschen an der Karibikküste. Für die Armen in der Stadt stehe das Überleben und nicht der Friedensprozess im Vordergrund.
Das Vertrauen in die Politik und das Gefühl der Solidarität hätten nachgelassen. Nach seinen (Becks) Informationen blieben 90 % der Straftaten ungeahndet. Hoffnung gäben nur zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung, die sich für eine gerechtere Gesellschaft und eine Sicherung des Friedens stark machten und engagierten. Es sei unglücklich, dass zum Beispiel Bürgermeister ihr Amt nur für vier Jahre bekleiden dürften. Das sei eine zu kurze Zeit für die Verbesserung der Infrastruktur, die notwendige Landreform und den Aufbau einer Zukunftswirtschaft, die nicht allein von Kohle und Rohstoffen abhängig ist. Die Landreform komme leider nicht voran, auch was die Landverteilung an ehemalige FARC-Kämpfer betreffe.
Ein großes Problem für den Frieden sei, dass die ELN noch nicht bereit sei, die Waffen niederzulegen. Die ELN sei mit der ländlichen Bevölkerung viel stärker verbunden als die FARC.
Die katholische Amtskirche engagiere sich nicht genug für den Kampf um Gerechtigkeit. Deutschland führe teilweise sehr kleinteilige Programme durch, die bei den Menschen ankämen. Die Leute müssten spüren, dass der Friedensprozess ihre individuelle Lage verbessere. Deshalb brauche es die internationale Aufmerksamkeit auf den Friedensprozess. Die Friedrich-Ebert-Stiftung wolle auf die Probleme aufmerksam machen, die den vielen weiteren Schritten, die zu einer wirklichen Befriedung des Landes beitragen sollen, im Wege stehen.
http://www.ipg-journal.de/interviews/ar ... bien-2738/
Ich finde es erfreulich, dass ein deutscher Politiker sich mit den Problemen Kolumbiens befasst und sich ein eigenes Bild verschafft hat, indem er das Land bereiste. Allerdings bezweifle ich, dass internationale Aufmerksamkeit den Friedensprozess maßgeblich stärken kann. Wir erleben, dass in vielen Staaten die nationalistischen Tendenzen wachsen und die Reaktion des Auslands für unwichtig gehalten wird. Bei einem Sieg Iván Duques bei der Präsidentenwahl wäre die Meinung des Auslands zum Friedensprozess sicher zweitrangig. Duque würde die Verleihung des Friedensnobelpreises an Santos genauso belächeln, wie es Trump mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Obama tut.