Eine 75-jährige Bogotanerin kaufte in einem Supermarkt ein. An der Kasse zeigte sie die Kekse, die sich unter ihrer Tasche befanden und einen Wert von etwa 2.000 Pesos hatten, nicht vor. Als sie dies unmittelbar nach Verlassen des Geschäfts bemerkte, kehrte sie in den Laden zurück, um die Kekse zu bezahlen. Dort wurde sie von den Sicherheitsleuten festgehalten, bis die Polizei kam, sie mitnahm und sie in einer staatsanwaltlichen Institution verhört wurde. Nach einigen Stunden wurde die Frau freigelassen.
Die Beschuldigte verteidigt sich damit, dass sie vergessen habe, die Kekse zu bezahlen. Sie beschwert sich darüber, dass sie mit Kriminellen zusammen sein musste und man ihr einen juristischen Prozess angekündigt habe.
https://www.elespectador.com/noticias/b ... ulo-793865
Die Einlassung der Beschuldigten, sie habe vergessen, die Kekse zu bezahlen, ist glaubhaft. Denn sie ist freiwillig in das Geschäft zurückgekehrt, um die Ware zu bezahlen. Deshalb hat sie sich nicht strafbar gemacht. Denn nur ein vorsätzlich begangener Diebstahl ist - wie in Deutschland - strafbar, was Rechtsanwalt Juan Carlos Álvarez bestätigt hat.
http://www.elcolombiano.com/colombia/pr ... -XG8844624
Es wird zu keinem weiteren juristischen Prozess kommen. Es stellt sich aber die Frage, ob die 75-jährige Seniorin vom Sicherheitspersonal des Supermarkts und der Polizei angesichts der Tatsache, dass sich der Vorwurf des Diebstahls nur auf 2.000 Pesos erstreckte, korrekt behandelt worden ist.
Elespectador.com berichtet, dass Ladendiebstähle von Kunden im Jahr 2017 in den Supermärkten einen Schaden von 97.000 Millionen Pesos angerichtet hätten. Angesichts dessen ist es verständlich, dass das Wachpersonal jede erkannte Unregelmäßigkeit streng verfolgt. Diese Wachsamkeit darf sich auch gegen strafunmündige Kinder und Senioren richten. Es ist durchaus möglich, dass eine Person zwar nur einen geringwertigen Diebstahl begeht, aber dies zum wiederholten Male - vorher auch in anderen Geschäften - getan hat. Dies kann erst die Einvernahme der beschuldigten Person durch Polizei oder Staatsanwaltschaft ergeben. Deshalb sehe ich - im Gegensatz zu Rechtsanwalt Álvarez - im Verhalten des Sicherheitspersonals und der Polizei keinen übermäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten.
Zu Recht weist Álvarez allerdings darauf hin, dass den poblaciones vulnerables nach der Verfassung besonderer Schutz zukomme. Er bezieht sich damit auf Art. 46 Abs. 1 der Verfassung, der folgendermaßen lautet:
"El Estado, la sociedad y la familia concurrirán para la protección y la asistencia de las personas de la tercera edad y promoverán su integración a la vida activa y comunitaria."
http://www.corteconstitucional.gov.co/i ... 202015.pdf
Bei der polizeilichen bzw. staatsanwaltlichen Vernehmung musste die Seniorin bevorzugt behandelt, insbesondere zügig vernommen und entlassen werden.