Die US-amerikanische Regierung hat zwei kolumbianischen Verfassungsrichtern bereits erteilte Visa entzogen und einem dritten Verfassungsrichter die Erteilung eines Visums verweigert. Diese Maßnahme steht in zeitlichem Zusammenhang damit, dass das Verfassungsgericht über den Einsatz von Glyphosat und über die Auslieferung einer oder mehrerer Personen an die USA entscheidet. Der Richter, dem die Erteilung des Visums verweigert wurde, ist Berichterstatter im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Einwendungen der kolumbianischen Regierung gegen das Gesetz über die JEP (Jurisdicción Especial para la Paz).
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Mit diesem Vorgehen verstößt die US-Regierung gegen fundamentale Werte, die im Bereich internationaler Beziehungen gelten. Sie verstößt auch gegen Werte, die das Fundament westlicher Demokratien ausmachen. Dazu gehört die Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz gegenüber der Exekutive.
Seit der Aufklärung und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 (siehe dort Art. 26 Abs. 2) ist die Toleranz eine zu beachtende Tugend; sie ist eine Grundvoraussetzung des Zusammenlebens in einer freiheitlichen Demokratie (Brockhaus Enzyklopädie 18. Band 1973 Stichwort „Toleranz“). Das deutsche Bundesverfassungsgericht spricht von einem grundgesetzlichen Gebot der Toleranz.
https://openjur.de/u/187796.html Rn. 111
Indem die Trump-Regierung sogar bereits erteilte Visa entzieht, weil ihr die Meinung demokratisch bestellter Verfassungsrichter nicht gefällt, verstößt sie gegen Grundwerte westlicher Demokratien und beendet die Vorbildfunktion der USA für die Ersetzung totalitärer Regime durch eine Demokratie nach freiheitlichem Muster.
Als ich die Vorlesung zum Verfassungsrecht bei einem ehemaligen deutschen Bundesverfassungsrichter besuchte, verwies dieser bei der Erörterung kontrovers diskutierter Probleme wiederholt auf die Rechtsprechung des Supreme Court der USA und die Verfassungswerte der USA. Leider gilt heute auch in diesem Zusammenhang der auf die USA gemünzte Satz der Bundeskanzlerin: Die Zeiten, in denen wir uns auf andere verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.
Dass die USA ihre Gelder an Kolumbien nur in dem Maß geben, wie dies den US-Interessen entspricht, ist nicht zu beanstanden. Kolumbianischen Verfassungsrichtern bereits erteilte Visa zu entziehen, weil diese voraussichtlich eine andere verfassungsrechtlich begründete Auffassung vertreten, widerspricht jedoch anerkannten demokratischen Grundsätzen, von denen sich die USA ein Stück entfernt haben und dadurch eine Menge Vertrauen in der Welt sowie die früher so gern in Anspruch genommene Vorbildfunktion verspielen.