Der kolumbianische Verfassungsgerichtshof hat in zehn Eilentscheidungen (Tutelas) mehrheitlich entschieden, dass im Hinblick auf Covid-19 Risikopersonen und verdächtigen Kontaktpersonen, die sich in Übergangshaft befinden, besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist. Es sind klare Maßnahmen zu treffen, um der Pandemie entgegenzuwirken. Innerhalb einer Woche muss für Häftlinge Zugang zu sanitären Einrichtungen, Putzmitteln, täglicher Ernährung und Trinkwasser bestehen. Der Verfassungsgerichtshof betonte die Ausdehnung auf das ganze Land (La Corte Constitucional, enfatizó que estas medidas serán extensivas para todo el país). Drei Verfassungsrichter waren anderer Meinung.
https://www.corteconstitucional.gov.co/ ... toria-8881
Semana.com teilt folgende Bedenken der drei Richter mit abweichender Meinung mit:
Das Problem der Überbelegung der Hafteinrichtungen und die damit verbundene Verletzung der Grundrechte ist seit mehr als 20 Jahren bekannt und hat nichts mit der Pandemie zu tun. Der Gesundheitsminister hat den estado de emergencia sanitaria ausgerufen und entsprechende Maßnahmen angeordnet, weshalb es einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht bedurft hätte.
https://www.semana.com/semana-tv/semana ... -19/659312
Die abweichende Meinung der drei Richter überzeugt mich nicht. Es geht in den zehn Tutelas darum, die Grundrechte der Häftlinge, die auch nach Meinung der abweichenden Richter permanent verletzt werden, jetzt zu sichern. Nach der Untätigkeit der Behörden in den vergangenen 20 Jahren ist zu befürchten, dass die vom Gesundheitsminister angeordneten Maßnahmen gerade bei diesen Häftlingen nicht umgesetzt werden.
Nicht einverstanden bin ich allerdings mit dem Ausspruch, dass die vom Verfassungsgerichtshof angeordneten Maßnahmen auf das ganze Land auszudehnen seien. Denn Gerichtsentscheidungen wirken nur zwischen den vor Gericht aufgetreten Kontrahenten. Indem der Verfassungsgerichtshof darüber hinausgehende Maßnahmen angeordnet hat, hat er in die ihm nicht zustehenden Kompetenzen der Regierung und des Parlaments eingegriffen und damit den Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt.