Der kolumbianische Verfassungsgerichtshof hat das Gesetz, das die cadena perpetua für die Vergewaltiger von Kindern vorsah, für verfassungswidrig erklärt.
Cadena perpetua bedeutet, dass in besonders schweren Fällen die Haftstrafe auf bis zu 60 Jahre verlängert oder lebenslänglich bis zum Tod des Straftäters verhängt werden darf.
Der Verfassungsgerichtshof hat schon in der Vergangenheit die cadena perpetua als verfassungswidrig bezeichnet, zum Beispiel im folgenden Urteil aus dem Jahr 1993.
https://www.corteconstitucional.gov.co/ ... 565-93.htm
Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass die Verhängung der cadena perpetua im Wege der Verfassungsänderung vorgesehen war (Artikel 34).
https://www.dw.com/es/colombia-tumba-la ... a-59069817
https://www.dw.com/es/duque-promulga-re ... a-54270170
https://www.elcolombiano.com/colombia/p ... MA15519959
Grundsätzlich kann eine Bestimmung der Verfassung nicht ihrerseits verfassungswidrig sein. Etwas anders gilt nur, wenn die Verfassungsänderung gegen fundamentale Verfassungsprinzipien verstößt. Der Verfassungsgerichtshof sah in der Verhängung der cadena perpetua gegen Vergewaltiger von Kindern einen solchen fundamentalen Verstoß gegen die Menschenwürde (dignidad humana) und die Menschenrechte, weil dem Täter die Möglichkeit der Reintegration verwehrt werde.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hätte im selben Sinne entschieden: Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) erklärt Verfassungsänderungen, die unter anderem die in Artikel 1 GG niedergelegten Grundsätze berühren, für unzulässig. Gemäß Artikel 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Daraus leitet das Bundesverfassungsgericht ab, dass jeder Täter die Chance haben muss, der Freiheit wieder teilhaftig werden zu können. Nur wenn vom Täter unvertretbare Gefahren ausgehen, ist eine lebenslängliche Freiheitsentziehung möglich, wobei aber eine regelmäßige Überprüfung stattfinden muss (Jarass in Jarass/Pieroth, Rn. 18 zu Artikel 1 GG).