Kündigung nach Arbeitsunfall

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Kündigung nach Arbeitsunfall

Beitragvon Gado » 12 Feb 2022, 08:43

Ein Arbeitnehmer, der seit höchstens drei Monaten beschäftigt war, erlitt einen Arbeitsunfall im Betrieb. Nach Überzeugung des kolumbianischen Verfassungsgerichtshofs entließ der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen dessen Arbeitsunfähigkeit, die auf Grund des Arbeitsunfalls eintreten war. Der Arbeitgeber hatte den Arbeitnehmer vorschriftswidrig nicht bei der Sozialversicherung angemeldet, sodass der Arbeitnehmer Kosten seiner Behandlung und seiner Rehabilitation selbst tragen musste.

Der Verfassungsgerichtshof erkannte eine Verletzung der Grundrechte des Arbeitnehmers auf el mínimo vital, la seguridad social, la dignidad humana y la estabilidad laboral. In einer vorläufigen Anordnung verpflichtete der Gerichtshof den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer wieder in den Betrieb einzugliedern, ihn bei er Sozialversicherung anzumelden und ihm die entstanden Kosten zu ersetzen. Diese Anordnung gilt, bis das ordentliche arbeitsrechtliche Verfahren abgeschlossen ist und Sachverhalt sowie Rechtslage abschließend geklärt sind.

https://www.corteconstitucional.gov.co/ ... boral-9222

Die vom Verfassungsgerichtshof vertretene Rechtsauffassung stimmt im Ergebnis mit dem in Deutschland geltenden Recht überein. Selbst wenn das in Deutschland geltende Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar wäre, war die ausgesprochene Kündigung unwirksam. Denn eine Kündigung darf nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht gegen Treu und Glauben verstoßen.

https://lexetius.com/2003,620 Nr. [18]

Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten. Dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers an einer Erhaltung seines Arbeitsplatzes steht das ebenfalls durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitgebers gegenüber, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen, und ihre Zahl auf das von ihm bestimmte Maß zu beschränken. Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.

https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 65904.html Rn. 12, 13

Im vorliegenden Fall ist zu Lasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, dass die Arbeitsunfähigkeit bei der beruflichen Betätigung eingetreten ist. Dass der Arbeitsunfall auf einer Nachlässigkeit des Arbeitnehmers beruht hätte, ist jedenfalls bisher nicht ersichtlich. Außerdem hat der Arbeitgeber sich gegenüber seinem Arbeitnehmer dadurch rechtswidrig verhalten, dass er ihn nicht bei der Sozialversicherung angemeldet und dadurch einem erheblichen finanziellen Risiko ausgesetzt hat. Vermutlich hat der Arbeitgeber außerdem - wie aus der verlinkten Mitteilung des Gerichtshofs hervorgeht - den Betriebsunfall betrügerisch als Verkehrsunfall bei der Versicherung eines Dritten gemeldet und dort zu Unrecht Leistungen veranlasst.

Dies alles stützt die vorläufige Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs, dass die Entlassung unter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Grundrechte als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gesetzwidrig war.
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