Präsidentschaftswahl 2014: Zuluaga gegen Santos

[Refajo]

Die heutige erste Runde der Präsidentschaftswahl ist so friedlich verlaufen wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr: Es gab keinen einzigen Terroranschlag. Bereits eine Stunde nach Schließung der Wahllokale waren annähernd 100% der Gesamtstimmen ausgezählt.

Der ultra-rechts Kandidat Zuluaga wurde mit 29% Erster, gefolgt vom mittlerweile gemäßigt rechten Präsidenten Santos mit 25%. Die linke Kandidatin Clara López erhielt 15% der Stimmen, ebenso 15% erhielt die "konservative" Kandidatin Ramirez. Abgeschlagen der Grüne Peñalosa mit 7%.

Ich vermute, dass in der Stichwahl linke und grüne Wähler mehrheitlich für Santos stimmen werden, um wenigstens den ultra-rechten Zuluaga zu verhindern, während Zuluage das ultra-rechte Potential bereits ausgeschöpft haben dürfte. Vielleicht bekommt er noch ein paar Stimmen von den "Konservativen".

In Städten wie Bogotá und Sogamoso hat die linke Clara López gewonnen. In Medellín holte Zuluaga 39%.

[makopp5]

refajo
Die Wahl hat einiges gezeigt:
75% der Kolumbianer wollen keine Wiederwahl von Santos
Man kann in Kolumbien nicht Wahlkampf nur mit dem Thema Frieden machen. Alle wollen Frieden, nur nicht so wie es von Santos geplant und verhandelt wurde.
Santos hat in vielen Bereichen die Kolumbianer nicht überzeugen können mit seiner Politik.
Clara Lopez hat nicht in Bogota gewonnen. Zuluaga hat mit 22% in Bogota gewonnen. Clara Lopez holte etwas mehr wie 20%. Santos wurde nur von 18% in Bogota gewählt.
Besonders interessant ist, dass in den Gebieten, die am meisten unter der Guerilla leiden Zuluaga gewonnen hat.

Wenn die Guerilla schlau ist, dann versuchen sie unter allen Umständen zu einer Einigung mit Santos zu kommen und so vielleicht noch etwas fuer sich herausschlagen können. Sie haben noch Zeit bis zum 7. August.

Uribe redet doch noch deutlich in der Politik in Kolumbien mit. Viele Kolumbianer sehen einfach die Erfolge, die er fuer Kolumbien gebracht hat.

Übrigens erreichte Santos in Medellin nur 10% der Stimmen.

[Refajo]

Da war ich zu voreilig mit Clara Lopez in Bogotá, sie führte nach Auszählung der Hälfte der Stimmen.

makopp, wenn du unbedingt Negativ-Rechnungen aufmachen willst, kannst du noch weiter gehen: Bei 60% Nichtwählern, haben nur 10% der Wahlberechtigten für Santos' Wiederwahl gestimmt. Jetzt kommt das gleiche Argument von meiner Frau: Von allen Wahlberechtigten haben auch nur 11,6% für Zuluaga gestimmt, was zeigt dass es keine breite Unterstützung für Uribe gibt.

Aber zurück zu den gültigen Stimmen: Es gibt keine Mehrheit für Uribe/Zuluaga. Wenn Santos die Stichwahl mit 51% gewinnt, wird in den Geschichtsbüchern nur stehen, dass Santos die Wiederwahl gelang.

Es ist erschreckend, dass für einen offensichtlich kriminell agierenden Zuluaga überhaupt jemand gestimmt hat. Im El Espectador las ich gestern einen guten Artikel, in welchem der Autor schrieb, dass es das Beste für die Demokratie sei, wenn Santos gewinnen und die Justiz in Ruhe gegen Uribe und Zuluaga ermitteln könne.

Meine Frau und ich haben beide unabhängig den "Wahl-o-mat" von El Espectador durchgespielt. Dabei erreichten wir beide Übereinstimmungen mit Peñalosa und Clara Lopez von knapp 80%, Santos 50%, Zuluaga schlug uns der Wahl-o-mat gar nicht erst vor. Eine gute Politik besteht nicht nur aus Kriegstaktik. Die Themen Bildung und Gesundheit stehen bei Zuluaga überhaupt nicht auf der Agenda und dort hat Uribe in seinen acht Jahren kläglich versagt. Vorletzter Platz bei PISA und Uribe wollte am Ende seiner Amtszeit nur noch Notfälle von den Krankenkassen behandeln lassen.

[makopp5]

Refajo
hier kannst du nachlesen, was die Vorschläge von Zuluaga fuer Gesundheit und Bildung:
http://periodicodebate.com/index.php/na ... an-zuluaga

Was hat Zuluaga kriminelles gemacht? Weil er sich mit dem Hacker getroffen hat?

Es gibt keine Wahlpflicht in Kolumbien, somit bestimmen die, die wählen gehen. Leider war die Wahlbeteiligung sehr niedrig.

Dass Zuluaga gegen Friedensverhandlungen ist, ist auch nicht richtig. Nur nicht so, wie es Santos macht.Hier ein Kommentar aus dem Handelsblatt zu den Wahlen:
"Auch Zuluaga unterstützt eine Einigung mit den Rebellen über Verhandlungen. Doch hat er angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs den Farc-Unterhändlern eine Woche Zeit zu geben, um ihre Verpflichtung gegenüber einem Frieden zu zeigen, indem sie eine dauerhafte Waffenruhe ausrufen."
http://www.handelsblatt.com/politik/int ... 48778.html

[Gado]

[Refajo]

Danke für den Link zu Zuluagas Bildungs- und Gesundheitspaket. Einige Gedanken dazu:

1) Inhaltlich ist das reiner Sozialismus und könnte sowohl von Chavez/Maduro oder Rafael Correa als auch von Sarah Wagenknecht stammen: Kostenlose Rund-um-die-Uhr-Kitas mit Vollverpflegung bis zum fünften Lebensjahr. Kostenlose Behandlung in allen Krankenhäusern des Landes für alle mit kolumbianischem Ausweis. Leider sagt Zuluaga nicht, ob er dem kubanisch-venezolanischen Modell folgen möchte (alles ist kostenlos aber nichts funktioniert) oder dem skandinavischem Wohfahrtsmodell, welches funktioniert, solange die Bürger bereit sind, die Hälfte des Einkommens an den Staat abzugeben. Beides ist völlig unglaubwürdig für einen Rechts-Kandidaten, zumal als Marionette von Uribe, welcher in acht Jahren als Präsident Bildung und Gesundheit immer weiter privatisieren wollte.

2) Abgesehen von der Unseriosität und Unfinanzierbarkeit von Zuluagas Programm, bezweifle ich dass überhaupt ehrliche Absichten dahinterstecken. Alleine schon Zuluagas unverfrorene Lügen bezüglich des Hacker-Videos, die nur wenige Tage später von der Fiscalía entlarvt wurden, zeugen von Zuluagas Unehrlichkeit.

3) Sollte Zuluagas sozialistische Gleichmacherei wirklich ernst gemeint sein, so lehne ich sie ab. Das momentane solidarische Gesundheitssystem, in welchem alle Arbeitenden gemäß ihrer Einkünfte ihren Beitrag zur Grundversorgung leisten (wobei die Armen durch die staatliche Sisben fast kostenlos versorgt werden) sollte beibehalten und verbessert werden und nicht abgeschafft zugunsten eines sozialistischen Alles-kostenlos-Modells.

4) Wenn Interesse besteht, können wir das Thema Bildung hier vertiefen. Kurz gesagt: Alles was Zuluaga angeblich machen würde (Fortbildung von Lehrern, Englisch für alle, Evaluation von Lehrern etc.) existiert ja schon, und zwar dreimal so viel wie in einem Industrieland wie Deutschland! Was fehlt sind Verbesserungen in einigen und konsequente Umsetzung in anderen Punkten. Zuluagas Programm ignoriert die Realität und ist ideenlos.

[Refajo]

[John Entwistle]

Ich hoffe, daß Santos nicht wiedergewählt wird. Es kursieren viele pro und contra - Filme im Internet. Ich habe hier einen Beitrag von Baylys (contra Santos):

https://www.youtube.com/watch?v=a4-o16UmdzY

[Refajo]

Hallo John, willkommen im Forum!

Danke für den Bayly-Link. Ich persönlich habe in Kolumbien kein Wahlrecht, aber ich hätte Santos weder vor vier Jahren gewählt, noch würde ich ihn heute wählen. Ich kann die Enttäuschung der Uribistas nachvollziehen, weil Santos sich vom Saulus zum Paulus gewandelt hat bzw. vom Ultrarechten zum gemäßigt Rechten, vom Krieg führenden Verteidigungsminister zu Friedensverhandlungen. Aber was Bayly in diesem Video macht, ist typisch für die Unfähigkeit und auch die Unwilligkeit der Auseinandersetzung der Ultrarechten mit politischen Argumenten: Santos wird als kommunistischer Diktator dargestellt, als "Kandidat von Fidel Castro und der FARC, Hugo Chavez etc." bezeichnet. Man sollte mal die Kirche im Dorf lassen. Ich finde Angela Merkels Politik auch nicht gut, aber deswegen würde ich sie nicht als Kandidatin der Linkspartei bezeichnen oder als Kandidatin von Diktatoren oder Terroristen. Klar, im Rahmen der Meinungsfreiheit kann jeder alles sagen, aber solche Diffamierungen sind für mich die Weigerung, sich mit Argumenten auseinandersetzen zu wollen.

Was die Vorwürfe betrifft, Santos sei ein Kommunist wie Fidel Castro oder Hugo Chavez, so muss man doch mal festhalten, dass in makopps Link zu Zuluagas Gesundheitsprogramm offenbar wird, dass Zuluaga mit seinen Forderungen nach einem kostenlosen Sozialstaat für alle den Forderungen der marxistischen FARC doch erstaunlich nahe ist. Trotzdem würde ich ihn weder als Kandidaten von Fidel Castro oder Pinochet oder sonst einem Diktator bezeichnen.

[John Entwistle]

Hallo Refajo, Danke für das "welcome"!

Ja, Du hast Recht. Ich würde wenn ich in Kolumbien wahlberechtigt wäre, wohl auch keinen Wunschkandidaten finden, da alle nicht ganz astrein zu sein scheinen. Ich bin weder links noch rechts, hege aber einen Unmut gegen alle diese linken (und rechten) Diktatoren der Vergangenheit, denn sie leben weitaus besser als das eigene Volk.

siehe: http://meditandootonielarango.blogspot. ... abana.html

Die Friedensverhandlungen in Kuba sehe ich als nutzlos, außer Santos' Wiederwahl scheint sie niemandem zu nützen. Es erinnert mich an die Zeit als Andrés Pastrana Präsident war. Nach den damaligen fruchtlosen Verhandlungen mit der FARC in Pastrana's Amtszeit, waren die Guerilla stärker und schädlicher für Kolumbien als je zuvor.

Das Team Uribe/Zuluaga hat sicher auch keine weiße Weste, ich bin mir aber sicher, diese könnten die Rebellen soweit dezimieren, daß sie eines Tages aufgeben müßten. In anderen Ländern hat die "harte" Methode auch gegriffen (z.B. in Peru, Sri Lanka, Deutschland...)