Nach 1 Jahr Kolumbien möchte meine persönlichen Erlebnisse in diesem Land schildern, die allen, die sich ebenfalls hier niederlassen möchten, Hinweis, Empfehlung und Warnung sein mögen.
Natürlich erhebe ich nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Ich bin aber davon überzeugt, dass ich nicht ganz so daneben liege wenn ich sage: Kolumbien, ein Land mit vielen Chancen, aber auch ein Land der Lautstärke, Mißorganisation und des Feudalismus. Wer hier nicht kämpft, hat schon verloren!
Zunächst einmal sei gesagt: ich bin freiwillig hier und arbeite als Marketing- und PR-Berater. Was ich in diesem 1. Jahr hier erleben musste, übersteigt jedoch in vielen Bereichen meine negativen Befürchtungen. Es ist ein täglicher Kampf, und wenn man glaubt, etwas erreicht zu haben, dann wartet an der nächsten Ecke schon die nächste Überraschung. Ich werde mich heute mit den Themen “Visa”, “Cédula” und “Bankkonto” befassen, welches natürlich wichtig ist, für die, die hier auch offiziell Arbeiten wollen.
Als ich mich auf Kolumbien vorbereitete, war ich schon mehrfach hier und las zudem auch viel über die Visabestimmungen für berufliche Aufenthalte. Dort beschrieb man in vielen Foren, dass es relativ leicht, ein solches zu bekommen, ja selbst die Verlägerung der “Aufenthaltsgenehmigung als Tourist” sei kein Problem. Ganz so ist ist nicht.
Nun, fangen wir zunächst mal mit der Einreise an: als Deutscher hat man ja das Recht, bis zu einem halben Jahr als Tourist in Kolumbien zu verweilen. Ich nutze diese Zeit auch, um mich beruflich vorzubereiten, also den Markt zu studieren, Kunden zu akquireren etc.
Bei der Einreise am 12.11.2011 gabs dann am Flugahfen auch das, für alle übliche Prozedere: persönliche Daten, Wohnort in Kolumbien, Stempel für 30 Tage (kostenlos!). Mich zog es zunächst nach Santa Marta. Als die ersten 30 Tage abgelaufen waren, kam dann die Überraschung: obwohl ich einen hier angemeldeten Wohnsitz hatte (kein Hotel o.ä.), erteilte mir die (damals noch) DAS lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung für nur weitere 30 Tage. Zudem kam eine Prozedur, wie man sie sonst nur bei Verbrechern kennt: Selbstauskunft, biometrische Fotos, Fotografie der Augeniris, Fingerabdrücke. Und dann natürlich die Gebühr, etwa 80.000 Pesos.
Zugegeben: ich erhielt den Stempel dann ohne weitere Probleme, aber die Strategie Kolumbiens erschien mir klar: totale Kontrolle, durch immer wieder notwendiges Vorstellen bei den Behörden. Und natürlich: Gebühren absahnen. Meine Hoffnung, langfristiger planen zu können, erhielt einen starken Dämpfer. Jetzt war ich auf Mitte Januar festgelegt. Und wer weiß, wo meine persönlichen Daten nun landen: CIA, Mossad, FBI? Als mündiger deutscher Bürger habe ich ein grundsätzliches Problem mit der „Vorratsdaten-Speicherung“.
Aber man muss das hier zähneknirschend akzeptieren. Selbst beim Betreten von Gebäuden, z.B. des World-Trade-Centers in der „100“ oder eines Bürokomplexes in der „127“ kommt man nicht drum herum. Die Kolumbianer leiden unter enormer Paranoya und Vorfolgungswahn. Überall Kameras und Wachschutz. Dazu später mehr in einem anderen Artikel.
Da ich in den ersten 2 Monaten feststellte, dass die Küste kein guter Ort für meinen Berufstand ist und mir zudem der Krach durch hupende Autos, Hundebellen und die dauerhafte, fast 24 stündige Berieselung mit Vallenato durch die Costeños stark auf die Nerven ging, entschied ich mich, nach Bogotá zurück zu kehren. Ich wollte noch in Kolumbien bleiben und die Situation in der Hauptstadt ausloten. So musste ich dann also die zweite Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung hier durchführen.
In der Erwartung, wieder nur 30 Tage zu bekommen, machte ich mich also auf den Weg. Dort konnte ich dann aber zu meiner freudigen Überraschung sehr schnell erleben, dass es auch anders geht, als in der Provinz: Verlängerung gleich um 90 Tage. Unglaublich! Bei gleichem persönlichen Status und Voraussetzungen ist es also doch möglich, gleich 3 Monate zu bekommen. Ich war erleichtert. Das bedeutet zum einen: mehr Bewegungs- und Planungsfreiheit. Zum anderen zeigt es aber auch, wie sehr Willkür und Feudalismus, selbst in Behörden verbreitet sind.
Mit dieser neuen Perspektive konnte ich mich dann also 3 Monate später auf den Weg machen: Arbeitsvisum vorbereiten/beantragen, Wohnung suchen, Bankkonto eröffnen, arbeiten. Zum Thema Wohnungsanmietung und den damit verbundenen Schwierigkeiten und Fallen, schreibe ich später etwas.
Ich hatte mich also entschieden, ein Viesum für die Tätigkeit als Selbständiger zu beantragen. Dauer dieses Visums: 1 Jahr. Gebühr: etwa 450.000 Pesos. Danach kurzfristige Aushändigung der Cedula extranjería, mit der man dann alles Weitere organisieren kann.
Wie läuft das ab, was ist notwendig?
Zunächst ist es wichtig, dass man seine berufliche Kompetenz darlegt. Ich habe viele Referenzen aus meiner langjährigen Tätigkeit und hatte auch schon aus Deutschland Orignale von Verträgen und Arbeiten mitgebracht. Dazu noch Screenshots von Internet-Veröffentlichungen etc. Dann ist es enorm wichtig, dass man neben der privaten Selbstauskuft seine finanziellen Möglichkeiten darlegt. Ich hatte ebenfalls Kontoauszüge meiner deutschen Bank dabei, sowie Kreditkarte und monatlichem Zahlungsvekehr über Western Union. Dieses hatte ich über meine Familien in Deutschland organisiert, da diese Überweisungen sicherer und kostengünstiger sind, als Abhebungen von deutschen Konten. Zumal in vielen Banken die deutsche EC-Karte einfach nicht funktionierte. Zuletzt, ebenfalls von hoher Bedeutung: Visitenkarten kolumbianischer Kontakte, die an einer geschäftlichen Zusammenarbeit interessiert sind. Es kann sein, dass die Behörde dort telefonisch Erkundigungen einzieht. Also: die Referenz-Kontakte unbedingt vorher informieren!
So präpariert machte ich mich dann also auf zur neuen “Immigración” und war auf ein langwieriges, schwieriges und vor allem “nach-gut-Dünken-entschiedenes” Visa-Verfahren eingestellt. Die Wartezeit in der Behörde betrug zunächst einmal gute 3 Stunden. Vorher muss noch die Gebühr von 80.000 Pesos zur Sichtung der Unterlagen entrichtet werden. Dann endlich konnte ich meine Papiere vorlegen.
Nach nur 5-minütiger Prüfung sagte der Beamte “excelente”. Ich konnte es kaum glauben. Er sagte, der Visaerteilung stünde nichts entgegen. Dabei hatte er die Papiere nicht mal in irgendeiner Weise auf Glaubwürdigkeit gegen gecheckt, zumal manche noch in deutscher Sprache waren.
Ich müsste lediglich die RUT, eine Art Gewerbeschein, nachreichen. Hinweis: es ist unbedingt notwendig, dieses Formular vorher zu beschaffen! Ich dachte fälschlicherweise, ich müsse das hinterher machen, nachdem ich die Arbeitserlaubnis habe. Nun ja, die RUT ist kostenlos. Lediglich das Anstehen in einer anderen Behörde beträgt wieder einmal gute 3-4 Stunden. Zudem kassierte die “Immigración” nochmal 80.000 Pesos ab, nur um dieses Formular später in meinen Visa-Antrag einzufügen. Ich reichte es also am übernächsten Tag nach, zahlte dann die nochmalige Prüfungsgebühr und Visa-Gebühren, etwa 400.000 Pesos, musste nochmal die üblichen 3 Stunden warten. Doch dann bekam ich tatsächlich meine Arbeitserlaubnis als Selbständiger.
Wow! Ich dachte, es gibt doch noch Wunder hier und wenigstens in Bogotá klappt es mit den Behörden. Doch dann kam gleich der nächste Dämpfer: die Cédula (von der man vorher sagte, man erhielte sie innerhalb kurzer Zeit) sollte erst im August ausgehändigt werden.
Das war natürlich ein Rückschlag. Denn diese ist wichtig für viele weitere offizielle Abläufe. Stattdessen händigte man mir einen „Behelfsausweis“, die Contraseña, aus. Diese solle den selben Status haben, wie die Cedula. Weit gefehlt! Es entscheidet jede Bank/Institution selber, ob es die Contraseña akzeptiert oder nicht. Und wieder das Prozedere: Fotos, Fingerabdrücke, etc.
Ich machte mich also kurze Zeit später auf den Weg, ein Bankkonto zu eröffnen. Und obwohl ich alle offiziellen Papiere hatte, wollte mir keine Bank ein Konto geben. Die Contraseña zähle nicht, und mit Reisepass könne man kein Konto eröffnen. Ich war am Boden zerstört. Denn ohne Konto kein bargeldloser Zahlungsverkehr und keine Credibility bei Kunden für offizielle Geschäfte.
Aber wen in Kolumbien nicht kämpft, hat schon verloren. Der Feudalismus hier ist gleichzeitig Risko und Chance. Ich war entschlossen! Und so machte ich mich Tage später auf, um nicht in den großen Marmorhallen der Banken nach einem Konto zu fragen, sondern in einer kleinen Filiale. Und siehe da: nach anfänglichen Schwierigkeiten klappte es. Mit List und Hartnäckigkeit!
Auch in der kleinen Filiale der Bancolombia wollte der Kontoführer zunächst nicht. Ich verlangte dann den Fillial-Leiter. Auch der wiegelte zunächst ab, da ich ja „nur“ die Contraseña habe. Ich fragte ihn dann, ob er es sich leisten kann, auf jährlich 100 Mio. Pesos einer internationalen Marketingagentur zu verzichten. Und schwups: nach einem Telefonat mit seinem Vorgesetzten wurde mir das Konto erteilt. Da ich, wie gesagt, nur die Contraseña hatte, machte man sich sogar die Mühe, über deren EDV-Abteilung einen extra angelegten Identifikationscode für mich an Hand meiner alphanumerischen Reisepass-Nummer (der ist ja ein offizielles Dokument) anzulegen. Diese Prozedur dauerte ganze 2 Tage, aber am Ende hatte ich dann aber mein Konto und meine Tarjeta debito. Geht doch!
Somit war ich also endlich „geschäftsfähig“.
Was ist die Erkenntnis aus meinen Erfahrungen?
Erstens: man weiß nie, wie die Behörden im Einzelfall entscheiden, man kann auch keinen roten Faden erkennen.
Zweitens: es gibt immer einen Weg sich durchzusetzen. Sei es die Reputation, die man als Deutscher hat, sei es der Hunger auf Geld, die hier viele Leute haben oder sei es eine gewisse Schlauheit/List, mit der man etwas für sich bewegen kann. Manchmal helfen sogar ein paar „Groserías“ um sich durchzusetzen.
Mir gefällt das nicht. Ich hätte lieber eine klare Regelungen mit Rechten und Pflichten. Aber das kann man hier weitgehend vergessen. Wer sich streng an die Buchstaben der Auflagen hält, hat schon verloren, weil es keiner macht. So ist man besser aufgestellt, zu improvisieren. Und es klappt, auch wenn es ein täglicher Kampf ist.
Bleibt noch zu sagen: die Cédula habe ich, wie tausende anderer Einwanderer, bis heute (Mitte Dezember) noch nicht. Die Behörde habe ein Problem mit den Maschinen, sagt man.
Vor 2 Wochen habe ich mich dann lautstark im Wartesaal der „Imigaración“ in der „100“ beschwert. Das man uns Ausländer abkassiere, aber keine Leistung bringe, sei ein Skandal. Das man mit dem Geld wohl eher Waffen kaufe und das es lächerlich sei, eine Cédula nicht mal nach 7 Monaten auszuhändigen, während die Visazeit ohnehin nur 12 Monate dauere.
Natürlich kann ein Einzelner in dieser Hinsicht nichts bewegen. Aber es muss ein Umdenken stattfinden. Und das geschieht nur, wenn man den Finger in die Wunden dieser unterentwickelten Infrastruktur legt.
Soviel zu diesem Thema....
Wer weiter interessiert an meinen Artikeln interessiert ist, kann sich auf die nächsten Themen freuen:
Wohnungssuche/Conjunto, Lautstärke, Verkehr, Alarmanlagen, Zahlungsmoral von Kunden, wie man eine Disco-Bar in einer Calle residenzial ausschaltet....