Besetzung hoher Richterstellen

[Gado]

In Kolumbien sind viele hohe Richterstellen neu zu besetzen. Allein am Verfassungsgerichtshof werden vier von neun Richterstellen frei. Das politische Gerangel darum, wer die frei werdenden Posten einnehmen soll, hat begonnen. Juristenvereinigungen haben gefordert, dass die Stellen nach Befähigung und nicht nach parteipolitischen Gesichtspunkten besetzt werden sollen:

"En especial si se tiene en cuenta que la elección final se da en el Senado de la República y que ningún candidato puede llegar sin la bendición de la clase política. Facultades de derecho y organizaciones como la Corporación Excelencia en la Justicia han pedido que exista una veeduría para que los mejores lleguen a estos cargos, de los cuales depende en gran parte el futuro de millones de colombianos."

http://www.semana.com/nacion/articulo/c ... dos/516310

In der Realität spielen parteipolitische Interessen natürlich eine entscheidende Rolle. Da geht nach dem System: Gibst du mir den Richter X an der Corte Constitucional gebe ich dir (jetzt oder später) den Präsidenten an der Corte Suprema de Justicia.

[heine]

[Gado]

heines Beitrag hat mir gezeigt, dass ich einen Übersetzungsfehler gemacht habe. heine übersetzt "los mejores" richtig mit „die Besten“. Demgegenüber habe ich "los mejores" auf die Befähigtsten eingeengt. Das tat ich vermutlich unbewusst, um den Unterschied zwischen fachlichen Anforderungen und politischen Anforderungen deutlich zu machen.

Die Forderungen der Juristenvereinigungen, "los mejores" - also die Besten - zu ernennen, erinnert mich an den Grundsatz der Bestenauslese, der in Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes niedergelegt ist. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_33.html

Erforderlich ist also eine Befähigung, die sich insbesondere in der fachlichen Leistung ausdrückt. Hinzukommen muss die Eignung für das betreffende Amt, was eine Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Kandidaten - unter anderem in charakterlicher Hinsicht und politischer Zuverlässigkeit - nötig macht.

Deshalb hat heine Recht, wenn er schreibt, dass zwischen den Erfordernissen der Befähigung und der (politischen) Eignung kein Widerspruch besteht. Naturgemäß wird den Juristenvereinigungen die fachliche Befähigung und den Politikern die politische Eignung wichtiger sein.

[cosmopolita]

[heine]

Gado, zunaechst einmal ein Zitat:

Abweichende Meinung des Richters Hassemer

zum Beschluss des Zweiten Senats vom 26. Februar 2008

- 2 BvR 392/07 -

73
Ich kann die Entscheidung, § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB genüge den Voraussetzungen, die das Grundgesetz an einen Straftatbestand stellt, nicht mittragen. Die Norm steht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der gerade dem Strafgesetzgeber Grenzen zieht, nicht in Einklang; eine so verunglückte Strafdrohung passieren zu lassen, segnet schwere Fehler und Versäumnisse des Gesetzgebers verfassungsrechtlich ab und überdehnt den legislativen Spielraum im Strafrecht auf Kosten der Kontrollkompetenz des Verfassungsgerichts.

74
Die Norm verfolgt schon kein Regelungsziel, das in sich widerspruchsfrei und mit der tatbestandlichen Fassung vereinbar wäre (I.). Für die Ziele, die man dem Tatbestand heute unterlegt, bietet § 173 Abs. 2 Satz 2 StGB keinen geeigneten Weg (II.). Es gibt mildere, und überdies besser geeignete, Instrumente als die Strafdrohung (III.), und die Vorschrift ordnet übermäßig belastende Rechtsfolgen an (IV.).

https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 39207.html

Zitat Ende

Gado, ich bringe dieses Zitat als Beispiel dafuer, dass es nicht nur um Rechtsanwendung geht. Hassemer hatte eine andere Meinung. Diese hat er zum Ausdruck gebracht. Haette es mehrere "Hassemers" in diesem Fall gegeben, dann waere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genau gegenteilig ausgefallen.

Dies zeigt, dass es schon darauf ankommt, "wo" ein Richter steht, auch, "wo" er politisch steht.

P.S. in jenem Fall bin auch ich nicht der Meinung, dass man den Bruder, der seine Schwester ehrlich liebte, unbedingt nach dem Strafgesetzbuch bestrafen musste. Aber Hassemer hatte sich gegen die anderen Richter halt nicht durchsetzen koennen.

[Gado]

Es diente der Transparenz sowie der Fortentwicklung des Rechts in Theorie und Praxis, dass Richter Hassemer seine abweichende Meinung im Anschluss an die Mehrheitsentscheidung veröffentlichen konnte. Dieses Recht basiert auf § 30 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und steht allen Verfassungsrichtern zu.

https://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/__30.html